Sonntag, 7. Januar 2007

The Decline (AGA Woche 7 + AGA Zusammenfassung)

Meine lieben Leserinnen und Leser,


Laut Kalender befinden wir uns jetzt ja im Jahre 2007 nach Christi Geburt (oder war es der Tod? Sorry, bin nicht so bewandert in diesen Fragen.) Ja halt, mathemathisch gesehen wäre es ja schon das 2008. Jahr nach Christi Geburt (oder eben Tod). Egal. Auf jeden Fall haben mir die stetig steigenden Visits gezeigt, dass sich immer noch irgendwelche Leute die Mühe machen, ab und zu mal nachzuschauen, ob denn wirklich nichts Neues auf Kriegsberichter zu finden ist. Und die 1000er-Marke wurde überschritten, wohoooo! Seit dem Start dieses Blogs schauen durchschnittlich 7-8 Leute pro Tag vorbei. Könnte natürlich besser sein, aber hey, man schaut einem geschenkten Gaul ja nicht ins Maul!

Und auf jeden Fall hatte ich während den letzten 3 Wochen auch nie die Absicht, den Kriegsberichter zu begraben. Irgendwie konnte ich halt nie die Motivation aufbringen, mich in meinen Ferien mit dem Thema Armee zu beschäftigen. Aber der Krieg ist ja noch lange nicht vorbei, oh nein. Ab heute Abend bin ich noch 14 Wochen in der RS, na wenn das nicht rosige Aussichten sind!

Doch reisen wir doch schnell in die Vergangenheit zurück. (hab mir eben The Butterfly Effect angeschaut- cooler Film!)

Die letzte Woche der AGA war eigentlich eine ganz lockere. Abgesehen von der grossen Inspektion am Donnerstag beschäftigten wir uns - so weit ich mich erinnern kann - vor allem mit der Repetition altbekannter Themen wie Gewehr manipulieren, San-Dienst, blablabla. Natürlich wurde vor der Inspektion reichlich Dampf gemacht, irgendwie schienen alle verdammt nervös zu sein, vor allem unsere Zugführer und die Kompaniekommandanten.

Am Donnerstag Morgen also stellten wir uns bei angeblich -12° Celsius auf dem AV-Platz auf. Das war eine ganz lustige Zeremonie. Man befestigte extra eine Schnur, woran wir uns ausrichten durften, und dann kam der schweissüberströmte Feldweibel noch mit dem Pannendreieck, um den 60°-Winkel zwischen unseren Füssen zu berichtigen. Der Typ tat mir richtig leid- auch er schien irgendwie gaaanz nervös zu sein. Nach 20 Minuten Strammstehen kam dann mal der Stellvertreter des Schulkommandanten (nein, dieser liess sich den ganzen Tag nicht blicken, welch Schande), ein Oberstleutnant, der mich einfach unglaublich an ein Schwein erinnert. Das heisst, er schiss zuerst einmal den Rekruten im Wachhaus zusammen, dass man es über die ganze Kaserne hören konnte. Eine tolle Voraussetzung für die Inspektion, dachten sich wohl auch die Vorgesetzten. Auf jeden Fall mussten wir dann nochmal 15 Minuten im Achtung stehen, also eben etwa so stramm wie Ölgötzen, während uns Oberstleutnant Schweini mit seinen Glubschaugen begutachtete. Plötzlich haute es einen Rekruten ein paar Meter von meiner Position entfernt um, wegen starker Unterkühlung, wie später bekannt wurde. Naja, Schweini liess sich davon nicht stören und zum Glück hielten sich die Kameraden neben dran nicht an die Doktrin des Strammstehens, sonst würde der arme Knabe wohl immer noch dort liegen.

Auf die Inspektion selber muss ich jetzt nicht mehr genau eingehen, eigentlich war es das genau gleiche wie schon in Woche 5, nur kam noch ein San-Test dazu. Schlussendlich lobte uns Oberstleutnant Schweini dann in hohen Tönen, wir hätten die beste Inspektion seit langem absolviert, blabla, dies und das müsse aber doch noch verbessert werden, usw. Und wenn das noch nicht genug wäre, war mein Zug noch der beste von allen, was sich in einem mehr oder weniger spritzigen Abend auszahlte.

Am Freitag waren die Leute sichtlich erleichtert, die Anwärter wurden zu Soldaten befördert (hui, welch Ehre), man pilgerte noch ins Nachbardorf zu einem Gottesdienst (dem ich geschickt ausweichen konnte), und dann war auch schon Abtreten angesagt.

Nun. 7 Wochen der RS, ein Drittel also, sind vorbei, und was habe ich gelernt? Eigentlich gar nicht so viel, wie man annehmen könnte. Aber wenn man die selben Regeln und Sprüche tausendmal aufsagen muss, wenn die selben Bewegungen an der Waffe jede Woche inspiziert werden, und wenn es vor allem darum geht, dass man wie ein Roboter oder ein Plastiksoldat milimetergenau rummarschieren und auf Akkord Bewegungen ausführen kann, dann bleibt halt gar nicht viel Zeit, um mehr als 2 Seiten eines verdammten Reglements auswändig zu lernen. Nein wirklich, die ständige Kontrolle des "Gelernten" ist wohl etwa die lächerlichste Sache am ganzen Militärbetrieb. Dadurch geht so viel Zeit verloren, unglaublich. Und die 4 Sicherheitsregeln zum Sturmgewehrgebrauch habe ich jetzt trotzdem schon fast wieder vergessen.

Aber ich will nicht so sein, ein paar Dinge waren gar nicht so sinnfrei, zum Beispiel der San-Dienst. Haben wir zwar auch dort nur die 5 Sätze zum Rettungsablauf und ein paar Tragearten und Lagerungen auswendig gelernt, wird mir zumindest der CPR-Test in Erinnerung bleiben, bei dem ich 4 Versuche gebraucht habe und der mir schöne Blasen an den Händen beschert hat.

Ich möchte jetzt noch ein bisschen genauer auf gewisse Aspekte des Militärlebens eingehen und sie aus der Perspektive eines frisch weichgeklopften Rekruten, der sich mehr wie ein Zivilist als wie ein AdA fühlt:

Antrittsverlesen & Abendverlesen:
Der wohl grösste Witz überhaupt! Da besammelt man sich jeden Morgen, um dem armen Feldweibel, der meiner Meinung nach einfach nicht rechnen kann, die Bestände zu melden, und dieser gibt sie dann so kreuzfalsch an den Kommandanten weiter, dass dieser sich selten ein Lächeln verkneifen kann. Ich meine, wie kommt dieser Typ auf 8 Mann auf der Wache, wenn sowieso nie mehr als 5 Leute da sein können?
Aber eben. Der Sinn des Ganzen ist natürlich auch zu hinterfragen: Es ginge natürlich darum, den Kommandanten wissen zu lassen, wieviel jetzt anwesend sind, wieviel krank, wieviel im Urlaub, usw. Aber bitte, den kratzt das genau so wenig wie alle anderen auf dem Platz!
Vielleicht nervt mich das ganze Prozedere einfach auch nur, weil wir wegen dem Scheiss jeden Morgen 20 Minuten in der Kälte rumstehen dürfen.

Und dann am Abend: "In 1 Minute alle entweder vor dem Bett oder im Bett!", heisst es da jeweils. Als ob wir das nicht schon lange wüssten. Jedenfalls wird dann für eine geschlagene Viertelstunde unsere Zimmerordnung kontrolliert und genau geschaut, ob wir auch alle in unseren Bettchen liegen, die Zähnchen geputzt haben und unsere Abendtoilette verrichtet haben. In der ersten Woche dachte ich noch, das würde dann nach ein paar Tagen nachlassen, aber blasius.

Hierarchie:
Ja klar, ohne geht es nicht. Wird zumindest behauptet. Aber was in der Armee für eine Hierarchie vorhanden ist, ist bürokratische Vergewaltigung! Es gibt so viele Ränge, und meistens belegen diese Ränge dann noch verschiedene Funktionen, oh mein Gott. Wer soll da noch drauskommen?
Man sollte ja immer den Dienstweg beachten. Da wird dann ein Dokument, eine Beschwerde oder was auch immer über zig Stellen weitergereicht. Das dauert natürlich seine Zeit, so im Schnitt 2-3 Tage. Ich halte mich schon lange nicht mehr dran.
Aber das beste an der Hierarchie ist, dass sich die unterschiedlichen Ränge einfach nicht verstehen können, so hat es zumindest den Anschein. Wenn uns der Leutnant sagt, wir könnten das Gewehr selbständig putzen und zusammensetzen, und dann irgendein Volltrottel von Wachtmeister meint, wir müssten ihm jetzt unbedingt alle Teile zeigen, dann würde ich ihm seine Fresse am liebsten mit Gewehrfett stopfen!

Information:
Ein leides Thema. Wie uns ein Typ vom PPD (Psychologisch- pädagogischer Dienst) beigebracht hat, besteht die beste Möglichkeit uns zu kontrollieren darin, unser Wissen so knapp wie möglich zu halten. Also, Informationsknappheit eben. Ich rede jetzt nicht davon, dass irgendeiner dies, und ein anderer das behauptet, nein, vielmehr erfährt man meistens erst 5 Minuten im Voraus, was überhaupt läuft. Bohren und Stürmen soll anscheinend helfen, aber bis jetzt haben wir noch keine grossen Erfolge verzeichnen können.

Materialkotrolle- und Handhabung:
Dazu habe ich schon meinen Senf abgegeben. Nach wie vor auch eine der fragwürdigsten Gebiete des wundersamen Militäralltags. Meinen Hering habe ich immer noch nicht gesehen.

Wetter:
Wetter hat nicht viel mit Militär zu tun, ausser dass man wirklich fast die ganze Zeit draussen ist. Aber hier möchte ich mich auch mal glücklich schätzen, dass ich so einen milden Winter erwischt habe. Danke, Judas! (Oder, wer war es?)


Fertig schluss, ich hab keine Lust mehr zu schreiben. Heute Abend geht es weiter, Morgen oder noch diese Nacht kommt ne Übung, judihui. Bis in einer Woche.


PS: Und nein, das war kein bisschen Selbstmitleid. Ich möchte mich auch nicht ausweinen, auf keinen Fall! Ich habe keine grossen Probleme mit dem Militäralltag, sonst wäre ich wohl schon lange zum Psychologen gegangen, um mich auszumustern. Eigentlich habe ich praktisch noch nie ne "Soldatendepression" gehabt, um dies einmal klar zu stellen. Aber das macht mich noch lange nicht zu einem Freund der Armee.

Kriegsberichter

Ein Bericht über die Rekrutenschule im Herbst '06

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